Was haben die Antarktis und das Thema Organisationsentwicklung gemeinsam?
Mehr, als man im ersten Moment meint.Alles beginnt mit der Frage: «Glauben Sie, dass Ihre Mitarbeiter nach 15 Monaten Kampf ums Überleben über Sie sagen würden, dass Sie der beste Leader sind?»
Nein?!
Dann möchten wir Sie gerne in die Welt von Sir Ernest Shackleton entführen, einem irischen Entdecker, der 1914-1917 mit seiner bekannten «Endurance Expedition» in der Antarktis scheiterte. In diesem Scheitern war Ernest Shackleton ein herausragender Leader und bleibt bis heute für viele ein Vorbild. Seine Geschichte startet aber bereits vor der «Endurance».
Sir Earnest Shackleton begab sich 1901-1903 zum ersten Mal in die Antarktis. Während der von Robert Falcon Scott geleiteten Expedition «Discovery» fungierte er als Dritter Offizier. Scott schickte Shackleton ein Jahr vor Ende der Expedition aufgrund von zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten nach Hause. Scotts Expedition erreichte den Südpol nicht.
1907-1909 startete Shackleton seine erste eigene «Nimrod-Expedition» und nahm sich vor, ein besserer (weniger autoritärer) Expeditionsleiter zu sein als Scott. Mit seinem Team stellte Shackleton einen Rekord auf. Nie zuvor war jemand dem Südpol so nahegekommen. 180 km vor dem Pol brach Shackleton die Expedition ab, um die Sicherheit des Teams zu gewährleisten. Sein Traum der Südpol-Eroberung blieb bestehen.
Als 1911 Amundsen das Rennen zum Südpol gegen Scott gewann, musste Shackleton umdenken. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, traf er den Entscheid, die Antarktis zu durchqueren - und dabei den Südpol zu berühren. Daraus entstand die oben erwähnte «Endurance Expedition». Sein Schiff, die Endurance, fror zunächst im Weddellmeer ein. Während zehn Monaten wartete Shackletons Crew darauf, dass das Eis die Endurance wieder freigab. Um ihr Überleben zu sichern, war die Crew in der Zwischenzeit darauf angewiesen, Robben und Pinguine zu jagen. Während dieser nervenaufreibenden Zeit gelang es Shackleton, seine Männer bei Laune zu halten und die Einheit des Teams trotz der lebensbedrohlichen Situation zu wahren. 1915 wurde die Endurance vom Packeis zerdrückt wurde und ging unter.
Nach Sinken der Endurance belud die Crew drei Rettungsboote mit Proviant und Ausrüstung. Das Ziel der Expedition veränderte sich drastisch: ab jetzt ging es um das Überleben der Crew, was - wie Shackleton wusste - in seiner Verantwortung lag. Mithilfe seiner Crew und 69 Schlittenhunden, die sich ebenfalls an Bord befanden, starteten sie ihren Kurs in Richtung Land. Als das Eis aufgrund des Temperaturanstiegs brach, wasserten sie die Rettungsboote und schafften es mit vereinten Kräften und Ausdauer auf die Insel Elephant Island.
Dort begannen der Optimismus und das Durchhaltevermögen der Crew zum ersten Mal zu bröckeln. Shackleton sah sich gezwungen, mit dem am besten erhaltenen Rettungsboot Richtung Südgeorgien aufzubrechen, dorthin wo die «Endurance-Expedition» startete. Gemeinsam mit ein paar seiner Männer erreichte er die Insel, um Rettung zu holen. Mit dem vierten Anlauf erreichte Shackleton seine 22 übrigen Teammitglieder, die alle am Leben waren. Nach insgesamt 15 Monaten Überlebenskampf schafften es alle 27 Mann zurück in ihre Heimat England, wo man sie längst tot geglaubt hatte. Und Shackleton wurde trotz der gescheiterten Expedition von seiner Crew als bester Leader der Welt gefeiert.
1921 brach Shackleton zu seiner letzten Expedition in die Antarktis auf, bei der ihn einige Teammitglieder der «Endurance-Expedition» begleiteten. Dieses Mal war sein Scheitern einem Herzinfarkt geschuldet, der ihm den Tod brachte. Shackleton verstarb 1922 auf der Insel Südgeorgien und wurde auf Wunsch seiner Frau dort begraben.
Aus Shackletons eindrücklichster Expedition, der «Endurance-Expedition» lassen sich folgende Leadership-Eigenschaften ableiten:
- Optimismus
Bei der Zusammenstellung seiner Crew suchte Shackleton gezielt nach Optimismus. Vor allem angesichts von Rückschlägen und scheinbaren Niederlagen. Aber auch Ernest Shackleton selbst lebte Optimismus vor und spornte diesen an. Shackleton glaubte an seine Mission und sein Team, er animierte zum Spiel und zur Fröhlichkeit und inspirierte mit seinen Entscheidungen. - Zielsetzung
Shackleton formte seine Crew um ein klares Ziel herum. Jeder Teilnehmer der Endurance-Expedition verstand das Ziel, einige davon wurden aufgrund ihrer Begeisterung für das Ziel ausgewählt. Die Klarheit über den Zweck des Ziels war einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Shackletons Team. - Engagement und Einheit
Shackleton lernte jedes Mitglied seiner Crew persönlich kennen und leitete Stärken und Schwächen jedes Einzelnen ab. Daraus formte er eine Einheit, die in der Lage war, als Team (und nur als Team) ihr Ziel zu erreichen. Shackleton förderte gezielt das Engagement («Job-Rotation») und die Loyalität der Crew. Dabei half ihm seine «Politik der offenen Tür», d.h. jedes Expeditionsmitglied konnte mit seinen Anliegen zu Shackleton gehen, welcher darauf reagierte und/oder vermittelte. Das Wohlergehen seines Teams hatte für Shackleton höchste Priorität. - Flexibilität
Shackleton war in der Lage, immer wieder von seinem ursprünglichen Plan abzuweichen, wenn sich Schwierigkeiten ergaben oder neue Informationen auftauchten. Er band sich nicht emotional an Pläne, sondern tat das, was nötig war, um das Ziel zu erreichen oder zu überleben. - Schwierige Entscheidungen
Shackleton traf während der gesamten Endurance-Expedition immer wieder schwierige Entscheidungen, die vom gesamten Team getragen wurden. Dies war möglich, weil er für die Loyalität seiner Crew gearbeitet und für die Meinungen seiner Expeditionsmitglieder ein offenes Ohr hatte.
Diese Leadership-Eigenschaften lassen sich mit Aspekten des heute modernen Themas der Organisationsentwicklung zusammenführen.
Die Organisationsentwicklung umfasst Themen wie Personalentwicklung, Unternehmenskultur, Changemanagement, Organisationsstruktur und Innovation. Sie umfasst den Ansatz, unter höchstmöglicher Einbindung der Mitarbeitenden die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Organisation zu steigern. Dies erfolgt über praktische Ansätze in den oben genannten Themengebieten und durch die gezielte Entfaltung der Mitarbeitenden. Lassen Sie sich dabei vom Geist Shackletons leiten:
Was wäre, wenn Sie Shackletons Suche nach Optimismus in Ihre Personalentwicklungs-Strategie einfließen lassen würden?
Ihre Mitarbeitenden fokussieren sich auf Lösungen und Möglichkeiten, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. Im Misserfolg sehen Sie Erfahrungen anstelle von Niederlage.Wie sehr würden Sie gewinnen, wenn die Zielsetzung Ihrer Organisation so klar wäre, dass sie die Unternehmenskultur maßgeblich beeinflusst?
Ihre Organisation performt am besten, wenn alle Mitwirkenden für ein gemeinsames Ziel leben Das gemeinsame Ziel gibt der Arbeit Ihrer Mitarbeitenden einen konkreten Sinn.Wie agil wäre Ihre Organisation, wenn Sie Flexibilität als festen Teil einer Changemanagement-Kultur lehren würden?
Ihre Mitarbeiter sind dann in der Lage, Veränderungen zu leben und akzeptieren bzw. die Notwendigkeit von Veränderung überhaupt zu erkennen. Weniger Widerstand gegenüber von Erneuerungen bedeutet, dass Ihr Unternehmen eine wettbewerbsfähige Basis bewahrt und innovativ bleibt.Wie viel wettbewerbsfähiger wäre Ihre Organisation, wenn Sie durch Ihre Organisationsstruktur das Engagement und die Einheit Ihrer Mitarbeitenden fördern würden?
Wenn Sie die Stärken und Schwächen Ihrer Mitarbeitenden kennen, können Sie mit jedem neuen Mitarbeitenden die Struktur sinnvoll ergänzen. Sie können die Fähigkeiten Ihrer Mitarbeitenden gezielt fördern. Sie können den Teamgeist erhalten und die Mitarbeiterfluktuation senken, indem Sie ein offenes Ohr für die Anliegen Ihrer Mitarbeitenden haben und diese ernst nehmen. Offene Kommunikation, Transparenz und psychologische Sicherheit ist die Voraussetzung für ein harmonisches Team.Wie innovativ wären Sie, wenn Sie schwierige Entscheidungen zu Ihrem Alltag machen würden?
Schwere Entscheidungen erscheinen oft riskant und werden deshalb nicht immer gern getroffen – manchmal sogar vermieden. Schwere Entscheidungen sind jedoch häufig der Ursprung für Innovation. Sie sollen durchdacht aber nicht gescheut werden. Mit der richtigen Unternehmenskultur werden sie von allen Mitarbeitenden getragen und führen zum Erfolg. Machen Sie schwierige Entscheide zum Teil Ihres Unternehmensalltags.
Dies ist nur eines von mehreren Beispielen, wie sich Shackletons Leadership-Qualitäten mit dem Thema Organisationsentwicklung verweben lassen. Machen Sie sich die Erfahrungen anderer zu Nutze – das Rad muss nicht immer neu erfunden werden.
Falls Sie mehr über Shackleton und seine „Endurance-Expedition“ erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen den Podcast von Wondery.
Quellen: